- offene Vermögensfragen
- offene Vermögensfragen,Bezeichnung für die vermögensrechtlichen Fragen, die in den neuen Ländern durch die früheren Enteignungen u. ä. Maßnahmen entstanden. Das noch zu Zeiten der DDR erlassene Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. 9. 1990 in der Fassung vom 21. 12. 1998 (Vermögensgesetz [VermG]) regelt die vermögensrechtlichen Ansprüche für solche Vermögenswerte, die entschädigungslos enteignet und in »Volkseigentum« überführt wurden, die gegen eine geringere Entschädigung enteignet wurden, als sie Bürgern der früheren DDR zustand, die durch staatliche Verwalter an Dritte veräußert und die auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. 2. 1972 in »Volkseigentum« übergeleitet wurden. Das Gesetz gilt ferner für bebaute Grundstücke und Gebäude, die aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung durch Enteignung, Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in »Volkseigentum« übergeleitet wurden. Es regelt außerdem die Aufhebung der staatlichen Treuhandverwaltung von Vermögenswerten der »Republikflüchtlinge« sowie die Ansprüche von Personen, die in der Zeit von 1933-45 aus rassischen, politischen, religiösen und weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und dadurch ihr Vermögen verloren haben. Das Gesetz gilt nicht für Enteignungen im Zeitraum von 1945-49 auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage.Die aufgeführten Vermögenswerte sind nach § 3 VermG grundsätzlich dem Berechtigten auf Antrag zurückzuübertragen (§ 3 VermG). Dieses Prinzip »Rückgabe vor Entschädigung« wird allerdings durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen, zumal es bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen auf einen Zielkonflikt mit dem Ziel hinauslief, möglichst schnell private Investitionen in die Wege zu leiten. Eine Rückübertragung ist u. a. ausgeschlossen, wenn natürliche Personen nach dem 8. 5. 1945 in redlicher Weise Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte an dem Vermögensgegenstand erworben haben (§ 4 Absatz 2 VermG). V. a. aber brachten das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. 3. 1991 sowie das Investitionsvorranggesetz vom 14. 7. 1992 in der Fassung vom 4. 8. 1997 bedeutsame Ausnahmen vom Grundsatz »Rückgabe vor Entschädigung«.An die Stelle der Rückgabe nach dem VermG tritt eine Entschädigung, wenn eine Rückübertragung des Eigentums ausgeschlossen oder nicht mehr möglich ist oder wenn der Alteigentümer diese Alternative gewählt hat. Die Höhe der Entschädigung regelt das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. 9. 1994, sie richtet sich bei Grundstücken nach dem Einheitswert von 1935, der mit einem von der Grundstücksart abhängigen Faktor multipliziert wird; erhaltener Lastenausgleich wird angerechnet. Entschädigungsansprüche werden durch die Übertragung von Schuldverschreibungen erfüllt, die ab dem Jahr 2004 mit 6 % verzinst und in fünf Jahrestranchen eingelöst werden. Die Entschädigungen werden aus einem neu eingerichteten Entschädigungsfonds bestritten. Für die Opfer besatzungsrechtlicher Enteignungen zwischen 1945 und 1949 sind Ausgleichsleistungen vorgesehen; bewegliche Sachen erhält der frühere Eigentümer zurück, für Kunstwerke gilt dies nur mit der Einschränkung eines 20-jährigen unentgeltlichen und danach entgeltlichen öffentlichen Nutzungsrechts. Außerdem können Alteigentümer ebenso wie Wiedereinrichter und am 3. 10. 1990 ortsansässige Neueinrichter vom Bund ehemals »volkseigene« land- und forstwirtschaftliche Flächen auf der Grundlage der am 30. 12. 1995 in Kraft getretenen Flächenerwerbs-VO kaufen. Von den Ländern wurden Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen eingerichtet; auf Bundesebene ist das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zuständig (§ 29 VermG).Die Regelung der offenen Vermögensfragen und die Handhabung der Vorschriften durch die zuständigen Ämter haben heftige Kritik hervorgerufen und zu zahlreichen verwaltungsrechtlichen und zivilrechtlichen Klagen sowie Verfassungsbeschwerden geführt. Umstritten war insbesondere der »Grundsatz der Unumkehrbarkeit« der 1945-49 vorgenommenen Enteignungen, den das Bundesverfassungsgericht wiederholt (zuletzt im Mai 1996) bestätigte. Strittig war nach inzwischen vorliegenden anders lautenden Erklärungen M. S. Gorbatschows u. a. Beteiligter zum einen, ob der Ausschluss der Rückgabe der 1945-49 enteigneten Vermögenswerte von sowjetischer Seite zur Voraussetzung für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung gemacht worden sei (wie es die Bundesregierung erklärt). Nicht mehr strittig ist seit der Erklärung der Bundesregierung in der Bundestagssitzung vom 26. 3. 1997, dass Opfer von Willkür und Unrecht, die nach den russischen Rehabilitierungsvorschriften (oder nach deutschem Recht) mittlerweile rehabilitiert wurden, einen Rückgabeanspruch nach § 1 Absatz 7 VermG haben. Die umstrittenen Regelungen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes über Art und Höhe der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen wurden vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 22. 11. 2000 als verfassungsgemäß bestätigt.Der Finanzierungsbedarf für die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen wird insgesamt auf rund 15 Mrd. DM geschätzt, darunter 3,5 Mrd. DM für die NS-Verfolgtenentschädigung und mehr als 5 Mrd. DM für die Vertriebenenzuwendung. Der Bund beteiligt sich an diesen Kosten mit rund 11 Mrd. DM. Bei Immobilien wurde bis 31. 7. 2001 über 95 % der rund 2,15 Mio. grundstücksbezogenen Ansprüche entschieden: 410 934 Grundstücke (rund 22 %) wurden rückübertragen, in jeweils 5 % der Fälle wurde die staatliche Verwaltung aufgehoben bzw. ein Entschädigungsgrundlagenbescheid erlassen, rund 49 % der Ansprüche wurden abgelehnt, 14 % wurden zurückgenommen, und rund 5 % erledigten sich auf sonstige Weise. Von den 244 832 gestellten unternehmensbezogenen Anträgen sind bis 31. 7. 2001 rund 83,6 % bearbeitet worden: Lediglich 14 % der Bescheide lauteten auf Rückübertragung, in 11 % der Anträge ergingen Entschädigungsgrundlagenbescheide, 32 % der Anträge wurden abgelehnt. Die Erledigungsquote bei den verbleibenden schwierigen Restfällen (Immobilien und Unternehmen) wächst nur langsam. Die niedrigen Rückgabequoten und die Vielzahl der Ablehnungen lassen eine hohe Zahl von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsverfahren erwarten. Insgesamt wird mit etwa 700 000 Entschädigungsverfahren gerechnet. (Mauer- und Grenzgrundstücke, Treuhandanstalt)W. Graf Vitzthum u. W. März: Restitutionsausschluß. Berliner Liste 3, Verfahrensbeteiligung, Entschädigungs- u. Ausgleichsgesetz (1995);Rechtshandbuch Vermögen u. Investitionen in der ehemaligen DDR, hg. v. H. Clemm u. a., Losebl. (22001 ff.);
Universal-Lexikon. 2012.